Frau schaut in ein Prisma

Dezember. Der letzte Monat des Jahres ist da. Der letzte Monat eines Jahres, das kaum ungewöhnlicher hätte sein können. Jetzt nur noch die letzten Wochen bis Weihnachten überstehen, sagen viele um mich herum. Durchhalten. Gleich gibt es endlich eine Pause…

Bist du auch erschöpft? Müde von Corona, Corona-Nachrichten und Corona-Maßnahmen? Überfordert von der Ungewissheit, ausgelaugt vom Anpassen? Kämpfst du mit Entzugserscheinungen von fehlendend Begegnungen und Berührungen mit deinen Lieben? Damit bist du nicht allein. 2020 war und ist herausfordernd. Die Welt braucht kollektiv ein tiefes und langes Ausatmen.

Glücklicherweise ist die Zeit rund um Weihnachten und den Jahreswechsel mit Besinnung und mehr Ruhe assoziiert. Ich hoffe und wünsche dir, dass du gesund bist, loslassen und deine Batterien aufladen kannst. Der Dezember und das Ende des Jahres sind aber nicht nur kulturell, sondern auch energetisch betrachtet eine Zeit der Stille, die mich spätestens mit dem ersten Schnee immer wieder daran erinnert, langsamer zu machen. Wenn die Tage kürzer und die Nächste eisiger werden fällt mir wieder ein, dass ich nicht bis zum Jahresende durchfunktionieren muss, um dann müde ins neue Jahr zu stolpern. Ich erinnere mich daran, die Ruhephasen der großen und der kleinen Zyklen des Lebens zu achten – diesen einen Winter genauso wie die 365 Nächte des ganzen Jahres. Zu leben heißt durch Phasen der Veränderung zu gehen – und jede Phase dabei ist wertvoll und wichtig.

Das Leben ist zyklisch

Schließ die Augen und stell dir folgendes vor (und damit meine ich, es dir wirklich für einen Moment vor dein geistiges Auge zu holen, nicht nur die nächsten Sätze zu lesen):

Es gibt allein die Einatmung.
Es gibt nur den Tag.
Es gibt nur das Wachsein.

Welche Bilder entstehen dabei bei dir? Wie fühlt sich dein Körper damit?

Bei mir stellt sich körperlich ein Empfinden der Enge ein. Ich verliere meinen inneren Platz. Mein Geist ist überfordert. Besonders das Bild des unendlichen Einatmens erzeugt in mir Beklemmungen, wahrscheinlich weil der Atem so schön greifbar und im Körper direkt erfahrbar ist. Ich kenne diese Art von Beklemmung – und mir wird wieder einmal bewusst, dass die Gesellschaft mich darauf getrimmt hat, immer weiter einzuatmen.

Der Einatem ist Yang – Aktivität, hell, heiß, hart, dem männlichen Prinzip zugeordnet. Yang strebt nach vorne. Der Ausatem ist Yin – Empfangen, dunkel, kalt, weich, dem weiblichen Prinzip zugeordnet. Yin bedeutet Hingabe und Annahme. Wir brauchen den Ausatem genauso wie den Einatem. Wir brauchen die Nacht, den Schlaf, das Wasser, den Winter und – so sehr wir auch dagegen ankämpfen – den Tod. Es sind die zwei Seiten der Medaille, die sich gegenseitig bedingen. Wohlbefinden (Balance) stellt sich dann ein, wenn wir beide Pole würdigen und ausgleichend wirken, wenn die Waage in die eine oder andere Richtung überzukippen droht. Kollektiv betrachtet ist die Waage schon lange übergekippt.

Denn wir leben in einer Yang-orientierten Gesellschaft, die das Tun und das Erreichen von Zielen feiert. Doch Yin ist auf dem Vormarsch! Die weiblichen Qualitäten der Annahme und Hingabe, die wir alle unabhängig vom Geschlecht in uns tragen, werden endlich wieder mehr gewürdigt. Dezember und der Winter sind die Zeit des Yin, die Zeit des Ausatmens. Und nach all den Herausforderungen der letzten Monate – denn ein physischer Lockdown bedeutet noch lange keine bewusste Entschleunigung oder Annahme – schlage ich dir vor, tiiiiiiiiiiiiiiiiiief und lange auszuatmen.

Entspannung ist dein Menschenrecht

Ein Satz der Yogini Uma Dinsmore-Tuli hat mich vor einer Weile besonders inspiriert und begleitet mich seitdem durch meinen Alltag: „In today´s society, resting is a rebellious act“. So wahr! Das ständige Machen als Normalzustand hat sich schon so sehr in unsere Zellen eingeschrieben, dass wir uns schämen Dinge zu sagen wie: Ich habe Zeit. Ich habe heute nichts geplant. Ich ruhe mich diese Woche einfach nur aus.

Yang hat zu großen Teilen sogar fest die heutige Yogaszene im Griff. Wenn der Fokus immer nur darauf liegt, den Körper zu stählern, sich durch schweißtreibende Flows zu pushen oder Yoga für mehr Effizienz im Job zu praktizieren, fehlt die gute Prise Yin im Rezept.

Ausruhen ist kein Luxus. Es ist überlebensnotwendig. Entspannung gehört genauso zum Teil deiner zyklischen Natur wie dein Tatendrang und deine Zielstrebigkeit.

Diese besondere Zeit des Jahres ist für dich da, um noch mehr Yin in dein Leben zu lassen. Schlussendlich profitierst nicht nur du davon, sondern alle. Denn nur erholt und gut in unserer Kraft können wir für andere da sein und Entscheidungen treffen, die über unser Ego hinausgehen. Der Atem zeigt dir immer an, was gerade in dir vorgeht. Er ist ein guter Indikator, um unser Wohlbefinden zu messen und ein fantastischer Verbündeter, der uns immer wieder daran erinnert, dass wir zyklische Wesen sind.

Trau dich und rebelliere. Erlaube dir, dich auszuruhen.

Ich wünsche dir ein waches und entspanntes Jetzt.

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Photocredit: Vince Fleming | Unsplash

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