Frau schreibt in Tagebuch

Die letzten Tage des Jahres sind eine magische Zeit. Für mich und vielleicht auch dich stehen sie für Einkehr, BeSinnung, Genuss, Verbindung und bewusste Langsamkeit. Ein ganz wichtiger Weggefährte ist um Weihnachten und Neujahr mein Tagebuch – das mich eigentlich das ganze Jahr begleitet und oft leitet. Nach der Wintersonnenwende am 21. Dezember gibt es für mich und mein Tagebuch einen Meilenstein: Ich beginne ein brandneues, jungfräuliches Journal, ein unbeschriebenes Blatt.

So auch vor ein paar Tagen. Mit den Jahren ist jedes meiner Notizbücher für mich immer wertvoller geworden. Sie sind kleine, intime Schätze, die meine Reise dokumentieren. Manchmal mach ich mir den Spaß und lese in meinem alten Geschreibsel. Dabei geht es mir nicht primär darum, mich zu erinnern, was damals war, sondern darum zu sehen, wo ich heute bin, genau jetzt. Stell ich mir noch immer die gleichen Fragen? Welche Menschen spielen welche Rolle in meinem Leben? Welche Gefühle sind besonders oft präsent? Welche Visionen verfolge ich heute? Wie kommen die Worte heute aus mir raus aufs Papier?

Hier wird schon klar: Anders als beim klassischen Tagebuchschreiben aus unserer Kindheit geht es beim Journaling nicht primär um die Ereignisse und Situationen, die wir erlebt habe. Es geht um unsere Gefühle, Empfindungen und unser buntes Innenleben, die wir mit der Intention, uns selbst besser kennenzulernen, mit uns selbst teilen.

Schreiben als Meditation

Schreiben ist ein transformativer Prozess. Das weiß ich von meiner Arbeit als Journalistin, die aber meist auf ein bestimmtes Ziel hinführen soll oder muss. Der große Unterschied zum Journaling ist für mich das absichtslose Schreiben – eine Form der Meditation. Worte dürfen einfach so heraussprudeln aufs Papier. Oft sind es Fragen, die sich erst im Prozess ausformulieren. Genauso spannend ist es, wenn nichts kommt, die Seite leer bleibt.

Beim Schreiben können wir das Innere nach außen tragen. Es kann uns zeigen, wo wir stehen, nach was wir uns im Kern sehnen, wo wir hinmöchten.

Und wir können durch eine regelmäßige Schreibpraxis lebhaft beobachten, wie sich im Laufe eines Tages, eines Mondzyklus oder eines Jahres dauernd alles verändert. Alles. Dauernd.

Eines meiner Lieblingsrituale ist es, am 31. Dezember mein vergangenes Jahr schriftlich Revue passieren zu lassen. Danach lese ich meine Zusammenfassung, die ich 365 Tage geschrieben habe. Wow. Wieder ist so viel passiert. Und es ist so wichtig, all die Bewegungen zu ehren, unseren Prozess zu würdigen, bevor wir lospreschen, um schon die neuen Ziele für 2021 zu formulieren.

Journaling kann uns dabei richtig gut unterstützen, denn es fördert…

  • Klarheit: Was geht gerade in mir vor? Was brauche ich? Was brauche ich nicht mehr?
  • Loslassen: Was kann ich an das Papier in Form von Gedanken und Worten abgeben? Was kann ich energetisch von mir abschütteln? Allein schwierige Gefühle zu benennen und anzuerkennen, dass sie da sind, kann oft helfen, sie loszulassen.
  • Entspannung: Journaling bedeutet Zeit nur für dich. Alles darf sein, nichts muss geleistet werden. Durch die Ruhe und gelassene Konzentration wird Stress abgebaut.
  • Fokus: Worauf will ich mich ausrichten? Wie realisiere ich Schritt für Schritt meine Visionen?
  • Struktur: Als feste Routine kann Journaling in Zeiten der Ungewissheit viel Stabilität bringen.
  • Achtsamkeit: Schreiben passiert immer jetzt.

Energetischer Check-In: Was ist da?

Journaling ist gerade voll im Trend und es gibt viele Methoden und Übungen, mit denen du dich mit Papier und Stift vertraut machen kannst. Aber ehrlich: Mein Tipp ist es, dich einfach mit Neugier auf dich selbst hinzusetzen und zu beobachten, was passiert, wenn du dich fragst:
Was ist in mir lebendig?
Was aus meinem Inneren will nach außen kommen?
Beim Schreiben geht es darum, dich selbst besser kennenzulernen. Und wenn es hier etwas stockt, hast du direkt etwas über dich in Erfahrung gebracht.

Wenn sich dein Kopf nach einem Konzept zum Journaling sehnst, probier gerne eine der folgenden zwei Methoden aus. Bei beiden gilt: Es kommt nicht auf die perfekte Formulierung an oder (politisch) korrekte Schreibweise. Sei radikal ehrlich, verzichte auf Zensur. Nur so kannst du dich selbst tiefer kennenlernen. Starre Selbstoptimierungsgedanken dürfen gerne direkt mit den ersten Zeiten abgeschüttelt werden. Let it flow.

Journaling-Methoden zur Selbstreflexion

Morgenseiten

Die Zeit direkt nach dem Aufwachen ist perfekt für das sogenannte Stream of Consciousness Journaling: Leg dir dein Büchlein mit Stift schon abends ans Bett. Bevor du am Morgen das erste Wort geredet oder den Fuß auf den Boden gesetzt hast, schreib für fünf Minuten (oder eine Seite) alles (ja, alles) auf, was dir durch den Kopf geht. Dabei musst du keiner Struktur folgen und noch nicht einmal deine Sätze beenden. Lass die Gedanken sprudeln.

Wenn du deine Morgenseiten später liest, kannst du vielleicht Muster erkennen, die dich prägen. Tauchen bestimmte Worte immer wieder auf? Geht es immer wieder um eine bestimmte Thematik? Hier darfst du gerne genauer hinschauen.

Dankbarkeitstagebuch

Nimm dir am Abend 3-5 Minuten Zeit und beantworte für dich die Frage: Wofür bin ich heute dankbar? oder Was ist mir heute Schönes passiert? Du kannst deine Antwort auf drei Aspekte des Tages eingrenzen oder einfach alles aufschreiben, was dir in den Sinn kommt – achte dabei mehr auf Qualität und Tiefe als auf Quantität.

Sich auf diese Art auf das Positive im Leben auszurichten fördert unsere Lebensfreude und Zufriedenheit. Wenn dir absolut nichts einfällt, worüber du dankbar sein kannst, dann vielleicht dafür, dass du am Leben bist.

Und noch ein kleiner Tipp: Ich reichere mein Journal mit Infos zur aktuellen Mondphase, dem Tag meines Menstruationszyklus, besonderen Planetenkonstellationen oder auch was ich gegessen oder geträumt habe an. Damit lerne ich mich Seite für Seite immer besser kennen. Und gewinne mehr Wertschätzung für die ständige Veränderung im Leben, die ich als Konstante in meinem neuen roten Tagebuch für 2021 bestimmt immer wieder entdecken werde.

Happy Journaling.
Happy 2021.
Happy Now.

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Fotocredit: Fotografierende | Unsplash