Yogaroutine

Vor ein paar Tagen auf der Matte hatte ich einen spannenden Aha-Moment – was mir ziemlich oft beim Yoga passiert, aber dazu später mehr. In Rückenlage, beide Knie zur Brust gezogen, hörte ich eine Stimme sagen: Mach doch heute mal was anderes, nicht immer das Gleiche. Weiter gings in meinem Kopf mit: Wie wärs mit dem Krieger 3, den machst du so gut wie nie. Musik wäre schön, und ein anderes Räucherstäbchen.

Yoga ist jetzt seit neun Jahren ein fester Teil meines Lebens. Ich liebe Asana. Ich liebe Meditation. Ich liebe Pranayama, Mudra, Mantra, das ganze Spektrum des Hatha Yoga. An manchen Tagen mehr, an anderen bin ich unmotiviert. Ich hatte das Glück, Yoga in besonderen Schulen kennenzulernen, die viel Wert auf Tradition legen. Es ist mir quasi von Tag eins an in meine Yogawiege gelegt worden, den Wurzeln treu zu bleiben – und das weniger ganz oft mehr ist, wenn „weniger“ das Potenzial dazu hat, mich in die Stille zu führen.

Zurück auf meine Matte: Kurz war die Versuchung groß, bei meiner Praxis mal alles ganz anders zu machen. Dann spürte ich etwas aus meinem Bauch nach oben steigen: BLEIB DA. WENN DU IM MOMENT BIST, IST JEDER AUGENBLICK NEU UND GANZ BESONDERS. Aha!

Die wichtigste Zutat

In mir hatte sich etwas in Worten manifestiert, was ich innerlich schon spüren, aber nicht definieren konnte. Routine tut mir unglaublich gut. Routine tut mir gut, wenn ich dabei nicht im Autopiloten manövriere, sondern voll und ganz präsent bin. Routine + Präsenz = Magie. Diese Formel lässt sich für mich nicht nur wunderbar aufs Yoga übertragen, sonder auf alle Lebensbereiche.

Aber sie entspricht nicht gerade dem, was uns die meisten Medien oder viele sexy Yogastudios glauben machen wollen. Eine Yogastunde muss außergewöhnlich sein, viele neue Asanas, Varianten und Stundenkonzepte, die noch keiner kennt, die sich auch gut „Branden“ lassen, mit einer neuen Playlist und Massageöl in Shavasana. Ich habe nichts gegen Feel-Good-Yoga. Es ist schön und wertvoll, sich gut zu fühlen. Und Yoga kann noch mehr. Dafür braucht es weniger.

DU bist so richtig spannend

Yoga ist für mich immer außergewöhnlich… und zwar wenn es mir gelingt, voll und ganz in meinem Körper zu landen. Meine Empfindungen – jedes Kribbeln, Wärme, meinen Herzschlag, das Blut, das durch meine Adern rauscht – wahrzunehmen. Mein Kopfkino lächelnd zu beobachten, ohne auf Forderungen des Geistes einzugehen. Wenn ich annehmen kann, dass ich heute ungeduldig oder gelangweilt oder wütend auf der Matte bin. Wie oft bist du schon auf die Matte gekrabbelt und kamst verändert und überrascht wieder runter? Wurdest vielleicht von einer Welle der Traurigkeit überrascht, die aber für ganz viel Klarheit sorgte? Hast deine bekannte Routine praktiziert, die dich an völlig neue Ort in dir geführt hat? Die Aha-Momente ermöglicht hat, bei denen Dinge in dir richtig landen und endlich Sinn machen konnten.

Versteh mich nicht falsch: Beim Yoga macht es absolut Sinn, auszuprobieren, was sich für dich richtig anfühlt und im Verlauf deines Weges deine Praxis anzupassen. Du wächst und veränderst dich, dein Yoga verändert sich, ganz natürlich. Doch oft geben wir zu schnell dem Kopf nach, der immer wieder neue Sinneseindrücke und Erlebnissen einfordert, weil das Bekannte plötzlich langweilig scheint – ohne zu merken, dass wir mit dem jetzigen Moment und was er uns zu schenken hat nicht zufrieden sind. Das ist die Angewohnheit des Geistes: Er will Action, denn zur Ruhe kommen heißt für ihn Sendepause.

Bleib da. Was dieser Moment von dir braucht, ist deine Neugier, Offenheit und Präsenz. Versuchs vielleicht für die nächsten Wochen auf deiner Yogamatte: Committe dich an eine feste Routine, verweile in den Haltungen, lass dich begeistern von dem, was sich in dir zeigt, wenn es um dich herum stiller wird.

Unterforderung gibt es nicht beim Yoga.

Bleib da.

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Janine Schneider